An einem Januarabend verirre ich mich im Trubel von Westfield Junction, einer der grössten Verkehrsknotenpunkte Gambias. Ich bin vergeblich auf der Suche nach einer Konzertveranstaltung, die mir tags zuvor empfohlen wurde. Auch die Nachfrage bei Passanten bleibt ergebnislos. Weitersuchen würde bedeuten, unter Lebensgefahr mehrspurige Strassen zu überqueren. Die Lust auf das Konzert ist mir vergangen. Mitten im Chaos entdecke ich eine Bar. Ich bestelle mir einen Drink und lasse mich erschöpft in einen der Plastikstühle am Strassenrand fallen. Im Schatten staubiger Palmen hat man hier einen direkten Blick auf den schier endlosen Verkehrsstrom.

 

 Allein mit meinen Gedanken schweife ich in Erinnerungen ab. An Sibanor, eine Ortschaft zirka 80 km im Landesinneren, vor einigen Jahren. Nach einem ereignisreichen Arbeitstag traf ich mich am Feierabend mit ein paar Männern. Wir tranken Grüntee, hörten Reggae und diskutierten über Gott und die Welt. Ibrahima, ein junger Angestellter der nationalen Telefongesellschaft, bleibt mir bis heute in lebhafter Erinnerung. Mit seinen verschrobenen, oft provozierenden Einwänden brachte er so manchen Gesprächspartner aus der Fassung. Die lauten Diskussionen dauerten meist bis weit in die Nacht hinein. Diese andere Sichtweise und die manchmal fast hirnrissigen Argumentationen Ibrahimas blieben mir im Gedächtnis hängen.

 

Während ich an meinem „Tonic-Water“ nippe, manifestiert sich in meinem Kopf die Idee zu einer Bildergeschichte. Ein Comicstrip, der thematisch wie auch grafisch ein unverwechselbares „afrikanisches“ Erscheinungsbild aufweisen soll.

Dedicated to Ibrahima

Man kann behaupten, dass Werbung die Basis für die moderne Malerei in Afrika bildet. So auch die Porträt-Malerei der heute weltweit bekannten Friseurschilder (Bender W., S.32). Für den Web-Comic "Westfield" bietet sich der grafische Bezug auf die von Hand gemalten Plakate geradezu an. Obwohl es sich immer um die gleiche Grundfigur handelt, verweisen die unterschiedlichen Frisuren auf den entsprechenden Charakter.

 

Die Möglichkeiten des Comicstrips sind durch seine Struktur begrenzt. Die Schwierigkeit besteht darin, in maximal 4 Bildern mit einer Pointe abzuschliessen. Je komplexer das Thema, desto schwieriger ist die Umsetzung des Dialogs. Der Platz, der dem Text zur Verfügung steht, ist limitiert und zwingt mich als Autor, Sätze zu reduzieren und nur Wörter zu verwenden, die unbedingt nötig und dienlich sind (Plein F., S.74). Andererseits erlaubt mir der Comic, in die Rolle der Figuren zu schlüpfen und andere Sichtweisen einzunehmen. Durch den Abstand zum Comicstrip kann ich neue Zusammenhänge entdecken, oder es ist mir gar möglich, festgelegte Meinungen als ethnozentrische, „westliche“ Sichtweisen zu entlarven.

 

„Westfield Junction“, ein Synonym für vielfältige Themen, Meinungen und Argumente, die an einem Punkt zusammentreffen. Eine Strassenkreuzung als Symbol für grundsätzliche Entscheidungen: Welchen Weg schlage ich ein? Wie soll es weitergehen?

 

Trotz Lärm und stinkender Abgase geniesse ich die letzten Strahlen der Sonne, die hinter den Wellblechdächern verschwindet. Es ist mein letzter Abend in Gambia.

 

Frank Plein, Der Comic im Kopf: Kreatives Erzählen in der Neunten Kunst, ICOM, Stuttgart 2012

Wolfgang Bender Hrsg., Chéri Samba, Trickster Verlag, München, 1991

The Gambia, Ghana, Zürich

The Gambia, Zürich

 

 

 

DIE DREI BUCHEN

Eine Geistergeschichte nach der Sage

„Ruhelose Seele am Manegg“